Navigation und Service

-

Workshop: Professionsbezogene Beratung und Begleitung von Lehramtsstudierenden: kompetenzorientiert – studienbegleitend – digital (09/2021)

Am 30. September und 01. Oktober 2021 fand der Programmworkshop zum Thema Beratung und Begleitung von Studierenden mit über 100 Teilnehmenden statt. Ausrichter der virtuellen Veranstaltung war die Technische Universität (TU) Braunschweig.

Auf einem großen Platz vor einem historischen Gebäude sitzen junge Menschen auf Bänkenund laufen
Das historische Hauptgebäude der TU Braunschweig wurde 1877 von der damals noch "Polytechnischen Schule" bezogen. © Markus Hörster/TU Braunschweig

Für eine erfolgreiche Schullaufbahn von Kindern und Jugendlichen und einer darauf aufbauenden Berufsausbildung kommt Lehrerinnen und Lehrern eine grundlegende gesellschaftliche Bedeutung und Verantwortung zu. Die Anforderungen an die Lehrkräfte steigen zunehmend z. B. durch eine heterogene Schülerschaft und Einzug der Digitalisierung in den Unterricht, die in der Krisenzeit der Pandemie eine besondere Herausforderung darstellen. Neben der Gewinnung von interessierten und engagierten Studierenden ist eine fortlaufende Unterstützung im Studium für einen erfolgreichen Abschluss von zentraler Bedeutung.

Die professionsbezogene Beratung und Begleitung von Lehramtsstudierenden ist ein elementarer Bestandteil der Lehramtsausbildung. Sie soll im Laufe des Studiums den Wechsel von Lernenden zu Lehrenden und den Aufbau eines professionellen Kompetenzprofils unterstützen. Um die Entwicklung eines solchen Kompetenzprofils systematisch in der Lehrerausbildung zu unterstützen, sind insbesondere im Rahmen der "Qualitätsoffensive Lehrerbildung" (QLB) neue Beratungs- und Begleitangebote für Lehramtsstudierende entstanden. Diese beziehen sich sowohl auf die Lernbegleitung beim Aufbau von fachdidaktischem und pädagogischem Wissen und Können, als auch auf kontinuierliche Beratung, um selbstregulative Fähigkeiten, Motivation sowie Überzeugungen aufzubauen.

Im Zentrum des Themenworkshops standen Vernetzung und Austausch der geförderten Projekte unter Einbindung externer Akteure in der Lehrkräftebildung.

Verlauf am Donnerstag, 30. September 2021

Prof. Dr. Kerstin Höner von der TU Braunschweig begrüßte im Namen des Veranstaltungsteams alle Teilnehmenden. Der Workshop werde von beiden QLB-geförderten Projekten der TU Braunschweig gemeinsam mit dem Research Institute of Teacher Education ausgerichtet. Ihr Dank galt allen an der Vorbereitung und Organisation Beteiligten.

Box_title

"Die Überlegung, die vermeintlichen born teachers zu finden, verkennt das Potential einer kontinuierlichen Beratung und Begleitung."

Christof Schiene, Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur

Das Wort übernahm Ministerialrat Christof Schiene, Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur. In seiner Ansprache betonte er, dass das Thema Lehrkräftebildung dem Ministerium sehr am Herzen liege. Ein wichtiger Aspekt sei die Vernetzung der Akteure auch über die "Qualitätsoffensive Lehrerbildung" hinaus.  

Prof. Dr. Angela Ittel, Präsidentin der TU Braunschweig, befürwortete ausdrücklich die Bestrebungen, die Lehrkräftebildung instituts- und universitätsübergreifend zu vernetzen. Ziel sei es, Synergien zu schaffen, innerhalb von Niedersachsen und auch über die Landesgrenzen hinweg. Dieser Workshop biete eine Plattform zum Austausch der Projekte, bei dem auch die Studierenden einbezogen seien.

Box_title

"Die Lehrerbildung ist die Stellschraube, um die Qualität in der Schule zu erhöhen.“

Prof. Dr. Barbara Thies, TU Braunschweig

Aus der Fakultät für Geistes- und Erziehungswissenschaften der TU Braunschweig schloss sich die Prodekanin Prof. Dr. Barbara Thies mit einem Grußwort an. Gerade Vernetzung sei ein Punkt, die Forschung zur Lehrkräftebildung voranzutreiben.

Eine junge Frau schaut in die Kamera
Dr. Tamara Marksteiner © Tamara Marksteiner

Im Anschluss folgte die Keynote von Dr. Tamara Marksteiner, Universität Mannheim, zum Thema "Zugehörigkeit zur Universität?! Prozesse des Übergangs verstehen und fördern“. Sie zeigte auf, welche Bedeutung und Auswirkungen ein Zugehörigkeitsgefühl hat und wie sich das Lernverhalten durch eine soziale Eingebundenheit positiv beeinflussen lässt.

"Mehr Sicherheit im Lehrersein? Die Entwicklung von Fähigkeitswahrnehmung und beruflicher Identität im Orientierungspraktikum“ war Thema des folgenden Vortrags von Lia Oberhauser und Prof. Dr. Silke Hertel (Universität und Pädagogische Hochschule Heidelberg). In der referierten Studie zu einem dreiwöchigen Orientierungspraktikum wurden Fähigkeitswahrnehmungen und berufliche Identität in den Blick genommen. Es zeigte sich eine Zunahme der Berufswahlmotivation (Fähigkeitswahrnehmung), die je nach Zuwachs nach dem Praktikum unterschiedlich adaptive Formen annehmen kann.

Theo Döppers und Clemens Hafner von der Universität Gießen richteten ihren Blick auf das berufliche Lehramt in ihrem Vortrag „Praxistransfer in die Studieneingangsphase und Studium der beruflichen Bildung. Die Relevanz von Vorerfahrungen für die Professionalisierung von Lehramtsstudierenden“. Bei der beruflichen Lehrkräftebildung ist die Quote der Studienabbrecher hoch bei einem gleichzeitigen Mangel an Studieninteressierten. Es gibt einen hohen Anteil von "nicht traditionell Studierenden“, die nach ihrer angeschlossenen fachlichen Ausbildung in das Studium einmünden. Hier stellen sich die Fragen: Inwiefern können Studierende ihre berufliche Vorerfahrung nutzen? Wie lässt sich die "Problemstellung“ dieser Studierenden zum Vorteil umkehren?
Beruflicher Alltag und die Vorerfahrungen werden als eigene Fähigkeit und Kompetenz wahrgenommen. Ziel sei daher künftig, das berufliche Vorwissen stärker aufzugreifen, in der Fachdidaktik zu nutzen und Vorerfahrung stärker einzubeziehen.

Mit einem Beitrag der TU Braunschweig von Dr. Markus Szczesny und Prof. Dr. Simone Kauffeld wurde die Vortagsreihe am Vormittag abgeschlossen. "Das Zusammenspiel von Zeitmanagement und akademischer Selbstwirksamkeit und ihr Einfluss auf die Studienwahlsicherheit im ersten Studienjahr“ widmete sich der Begleitung der Studierenden im Bachelorstudium. Das erste Studienjahr stelle eine kritische Herausforderung dar. Es gebe einen positiven Effekt des Zeitmanagements auf die Studienwahlsicherheit. Gleich zu Studienbeginn sei es daher empfehlenswert, entsprechende Trainings aufsetzen.

In der Postersession Young Researchers Meeting stellten 20 Nachwuchswissenschaftler und -wissenschaftlerinnen aus bundesweiten QLB-Projekten ihre Arbeiten vor. Die Poster konnten auch am Nachmittag noch einmal besucht werden. Per Chat und Video konnten sich die Teilnehmenden thematisch austauschen.

Die zweite Keynote von Prof. Dr. Susanne Narciss, TU Dresden, widmete sich dem Thema „Interaktive Feedbackstrategien gestalten und reflektieren als zentraler Baustein für Kompetenzentwicklung“. Die professionelle und reflektierte Gestaltung und Umsetzung von Feedbackstrategien ist eine komplexe Aufgabe. Lehramtsstudierende sollten lernen, gutes Feedback zu geben, wobei Feedback-Effekte sind nicht immer positiv seien. Die Reaktionen auf Feedback können vielfältig sein. Werde es nicht aufgabenbezogen gegeben, könne es zur Reflexion über die eigene Person und Fähigkeiten führen mit negativen Effekten. Unterstützend könne eine gute Seminarkonzeption sein wie Flipped-Classroom oder Learners as Designers Prinzip.

Screenshot aus der Präsentation von Prof. Narciss
Screenshot aus der Präsentation von Prof. Narciss. © Technische Universität Dresden

Drei folgende Vorträge rundeten den ersten Tag ab. "Einsatz eines systematischen Reflexionsformates auf Basis KI-basierter Auswerteverfahren“ lautete der Beitrag von Dr. Peter Wulff, Lukas Mientus, Anna Nowak M.Ed., Prof. Dr. Andreas Borowski von der Universität Potsdam. Reflexion sei eine Schlüsselkategorie effektiver Lehrkräftebildung. Die Förderung der Reflexionskompetenz sei daher in der Lehrkräftebildung essentiell. Unter der Leitfrage: Können KI-basierte Verfahren hier weiterhelfen? wurden Chancen und Risiken von KI-basierte Verfahren aufgezeigt.

Von der Pädagogische Hochschule Weingarten referierten Christian Schmidt, Prof. Dr. Stefanie Schnebel und Prof. Dr. Robert Grassinger zu „Systematische Begleitung von Lehramtsstudierenden beim Erwerb medienbezogener Kompetenzen“. Ziel des vorgestellten Projektes ist die Förderung medienpädagogischer, mediendidaktischer und medienfachdidaktischer Kompetenzen angehender Lehrkräfte mit dem Fokus auf digital unterstützte Unterrichtsgestaltung sowie die Förderung der medienbezogenen Kompetenzen der Studierenden. Dazu wird das Lehramtsstudium durch zwei verbindliche Studienprojekte ergänzt: (1) Entwicklung eines medienbasierten Lehr-Lern-Konzepts, (2) Studierende erstellen ein mediales Lehr-Lern-Material. Hierzu gibt es Unterstützung durch speziell geschulte Lernbegleiter und -begleiterinnen. Die Studierenden erhalten fachliche Unterstützung (z.B. mediendidaktische Fragestellung), überfachliche Unterstützung (z.B. Aufgabenstellung, Lernstrategien, emotionale und motivationale Regulation, Zeitmanagement, Konfliktmanagement, Teamarbeit, Wissensmanagement, Selbstwirksamkeitserwartungen) und technische Unterstützung (z.B. Handhabung digitaler Werkzeuge, Zugang zu Software). Die Lernbegleitung erfolgt kontinuierlich. Dazu werden die Lernbegleiter und -begleiterinnen qualifiziert. Der Vortrag stieß auf großes Interesse und es wurde ein Angebot zu Austausch ausgesprochen.

Zum Abschluss des ersten Tages sprachen Dr. Johannes Bohle, Christian Hanse und Prof. Dr. Holger Jahnke (EuropaUniversität Flensburg) über "Transcampus – professionelle Erfahrungswelten translokal im digitalen Raum vernetzen“. Studierende im Ausland in die Praxisbegleitveranstaltungen einzubinden, Praxissemester im In- und Ausland zusammenzubringen und Praxisbegleitseminar weiterzuentwickeln sind die Ziele des Projektes. Die Weiterentwicklung erfolgt in Form eines digitalen Praxisbegleitseminars. Das Praxisbegleitseminar wurde in Flensburg dazu konzeptionell neu gedacht (Padle-Map, Forum für Austausch) und zum Transcampus formiert, als strukturelle Implementation eines digitalen Parallelangebots des Praxisbegleitseminars Geographie.

Verlauf am Freitag, 1. Oktober 2021

Zu Beginn des zweiten Tages hatten Lehramtsstudierende das Wort. In den Blitzlichtern aus dem Studienalltag schilderten sie ihre Erfahrungen zu Begleitstrukturen in schulischen Praktika. Kernthema waren die Vor- und Nachteile der Durchführung in Präsenz gegenüber der Online-Durchführung. Die Beziehung zum Lehrenden/Dozenten, die Erreichbarkeit und der Austausch waren wichtige Faktoren in den Wortbeiträgen der Studierenden. Die Mentoren hätten sie sich gerne selbst ausgesucht, hier wird der wichtige Beziehungsaspekt benannt. Ein Hauptnachteile durch Corona, in rein digitalen Formaten, war der fehlende Austausch mit anderen Studierenden. Die Flexibilität (besonders räumliche), die das digitale Lernen ermöglicht, wurden dagegen als ein Vorteil benannt.

Box_title

„Vor Ort war es praxisgebunden und praxisorientiert, das waren super Vorteile.“

NN

„Es wurden Videos aufgezeichnet, was super war, was den fehlenden direkten vor-Ort-Bezug aufgewogen hat.“

NN

In fünf parallelen Workshops wurden folgende Themen angesprochen und diskutiert:

  1. "Wie können Beratungsangebote für Studierende diversitätsreflektiert(er) gestaltet werden?“ Dr. Marie-Luise Schütt, Dr. Maike Gattermann-Kasper (Universität Hamburg)
  2. "Wenn Religion Schule macht – Entwicklung von interkultureller und interreligiöser Kompetenz als Querschnittsaufgabe professionsbezogener Begleitung in der Lehramtsausbildung“, Dr. Ingrid Wiedenroth-Gabler, Benjamin Franz, Prof. Dr. Stefan Heuser (TU Braunschweig)
  3. "Wer bin ich? Was kann ich? Und was erwarte ich von meinem Gegenüber? Kooperation gelingt nicht ohne Weiteres!“ Dr. Roswitha Ritter, Dr. Antje Wehner (Bergische Universität Wuppertal)
  4. "Trainingsformate in der Lehramtsausbildung – Das Braunschweiger Classroom-Management-Training in unterschiedlichen Settings“, Dr. Gesa Uhde, Prof. Dr. Barbara Thies (TU Braunschweig)
  5. "Professionsbezogene Begleitung und Beratung von Studierenden beim eigenen Forschenden Lernen und bei der Erforschung Forschenden Lernens von Schüler*innen“, Dr. Dagmar HilfertRüppell, Cornelia Borchert, Prof. Dr. Kerstin Höner (TU Braunschweig)

Am Nachmittag verteilten sich die Teilnehmenden in drei parallele Arbeitsgruppe zum Open Space: Leitfragensammlung. Die Ergebnisse wurden abschließend im Plenum vorgestellt und diskutiert.

  1. Welche Maßnahmen unterstützen die Eingebundenheit der Studierenden in ihr Studium / ihren Fachbereich, und welche Studierenden haben hier besonderen Beratungs- und Begleitungsbedarf?
    Eingebundenheit: wurde insgesamt wenig diskutiert, aber doch kritisch hinterfragt. Benötigen die Studierenden eine gesonderte Beratung, um eingebunden zu werden? Ist es nicht eher Aufgabe der Universität und der Fachbereiche, sie einzubinden? Damit einhergehend wurde die die (immer noch verbreitete) Abwertung der Lehramtsstudierenden als "Wissenschaftler/innen 2. Klasse“ angesprochen.
  2. Wie ist das Verhältnis von Fremd- und Selbsteinschätzung zu bewerten?
    Es bestand Einigkeit darüber, dass Selbst- und Fremdeinschätzung gekoppelt werden sollten, um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten und dass mehr Forschung zu den Instrumenten und Methoden notwendig und wünschenswert wäre.
  3. Welche Bedeutung haben Beratung und Begleitung bei den Praxisphasen bzw. Praktika?
    Wann die Praxisphasen erfolgen und wie sie begleitet werden, ist offenbar sehr unterschiedlich. Eine mögliche Forschungsfrage ist, wie diese Begleitung gestaltet werden muss, damit die Studierenden davon profitieren. Dabei wurde besonders hervorgehoben, dass auch die Lehrkräfte in den Schulen, die die Studierenden betreuen, ihrerseits Beratung und Begleitung benötigen, z.B. um eine positive Haltung zu Forschung in der Schule aufzubauen.
    In diesem Kontext wurde die engere Verzahnung von Forschung und Praxis thematisiert.
  4. Können Beratungsangebote den Anteil der Studienabbrecher senken?
    Es herrschte schnell Einigkeit darüber, dass "Studienabbruch“ ein multidimensionales Problem ist. Es fehlen verlässliche Definitionen und vor allem Zahlen, um einschätzen zu können, ob der Studienabbruch von Lehramtsstudierenden durch Beratung verhindert werden könnte. Dabei wurde auch angemerkt, dass nicht jeder Abbruch automatisch negativ ist und dass auch die Beratung von Abbrechenden anderer Studiengänge hin zum Wechsel in ein Lehramtsstudium möglich sei.
  5. Wie sind die Auswirkungen der Digitalisierung zu bewerten, auch vor dem Hintergrund der Pandemie?
    Die "digitale Beratung“ wurde durchaus kontrovers diskutiert. Zu unterscheiden sei die psychosoziale Beratung einerseits, die digital kaum durchzuführen sei und die fachliche Beratung/Begleitung andererseits, die sich als hilfreiche Ergänzung zu Präsenzformaten erwiesen hat. Ein Projekt hat im Rahmen der QLB spezielle Online-Beratungs-/Begleitungsformate entwickelt, die gut angenommen werden.
  6. Qualifikation: Erfahren die Beraterinnen und Berater eine Ausbildung und inwiefern wird diese über die QLB finanziert?
    An der TU Braunschweig selbst gibt es ein Qualifikationsprogramm für Beratende; ob und wie das in anderen Projekten aussieht, wurde als lohnenswerte Vernetzungsfrage gewertet.

Beiträge zu einzelnen Programmpunkten können im rechten Bereich unter „Dokumentation der Veranstaltung“ abgerufen werden.

Die Veranstaltung wurde von den in der "Qualitätsoffensive Lehrerbildung" geförderten Projekten "Digitale Kompetenzen für die Lehrerbildung an der TU Braunschweig" und "TU Braunschweig - TU4Teachers II" ausgerichtet.