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Workshop: Lehrkräftebildung nach dem pandemiebedingten Digital Turn (06/2021) : Datum:

Am 24. und 25. Juni 2021 richtete die Goethe-Universität Frankfurt den programmbegleitenden Workshop zum Thema Digitalisierung aus. Rund 300 Teilnehmende tauschten sich virtuell zu dem aktuellen Thema aus.

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Digitale Techniken wie Virtual Reality sind zeitgemäße Instrumente in der Lehrkräftebildung © BMBF/Alexandra Roth

Die seit Jahren fortschreitende Digitalisierung von Beruf und Gesellschaft wirkt immer stärker in die Lehrkräftebildung hinein. Digitale Technologien und die damit verbundenen Innovationen für Lehren und Lernen beeinflussen gleichermaßen hochschulische Bildung wie schulischen Unterricht. Zahlreiche Projekte der "Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ (QLB) haben von Beginn an Maßnahmenpakete bzw. Teilprojekte entworfen, um diesen Herausforderungen zu begegnen.
Im Jahr 2018 verstärkte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die diesbezüglichen Anstrengungen und schrieb eine zusätzliche
Förderrunde mit den Schwerpunkten „Digitalisierung in der Lehrerbildung“ und „Lehrerbildung für die beruflichen Schulen“ aus. Fast gleichzeitig mit dem Projektbeginn dieser Vorhaben wurden durch die Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 Möglichkeiten und Hürden der Digitalisierung in Schulen und Hochschulen deutlich. Inzwischen verfolgen mehr als 50 Fördervorhaben das Thema der Digitalisierung in der Lehrkräftebildung, entweder in Teilprojekten oder schwerpunktmäßig. Die inhaltlichen Ansatzpunkte und Projektstrukturen sind dabei vielfältig.

Beim programmbegleitenden Workshop, den die Goethe-Universität Frankfurt digital ausrichtete, trafen rund 300 Akteure in der Lehrkräftebildung zusammen, um sich zum Thema "Lehrkräftebildung nach dem pandemiebedingten Digital Turn auszutauschen und zu vernetzen.

Verlauf am Donnerstag, 24. Juni 2021

Prof. Dr. Christiane Thompson, Vizepräsidentin der Goethe-Universität Frankfurt für Lehre, Studium und Weiterbildung, eröffnete die Veranstaltung mit einem Grußwort. Die Digitalisierung in der Lehrkräftebildung habe durch die Pandemie einen großen Schub erfahren, es musste an allen Stellen umgedacht werden. Die Univerität Frankfurt habe bereits vor der Coronazeit ein besonderes Augenmerk auf die Entwicklung digitaler Formate gehabt. So entwickele das QLB-Projekt "The Next Level" Lehr-/Lernangebote für Lehrkräfte aller Ausbildungsphasen unter Einbindung digitaler Lehr-/Lernmaterialien. Das zweite in der QLB geförderte Projekt "Digitale Lücken in der Lehrkräftebildung schließen" wurde 2019 konzipiert und ging 2020 an den Start. Frau Prof. Thompson betonte die hohe Bedeutung, die der Kooperation der an der Lehre beteiligten Fachdidaktiken und -wissenschaften zukomme.

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Durch die Pandemie musste an allen Stellen umgedacht werden.

Prof. Dr. Christiane Thompson

Im Namen der Akademie für Bildungsforschung und Lehrerbildung begrüßte im Anschluss der Geschäftsführender Direktor und Leiter beider Frankfurter QLB-Projekte, Prof. Dr. Holger Horz, die Gäste. Er freue sich über die Vielzahl der Beiträge in diesem Workshop und auf einen hochwertigen wissenschaftlichen Austausch.

In ihrer Keynote widmete sich Prof. Dr. Birgit Eickelmann von der Universität Paderborn folgenden Fragen:

  • Wird es uns gelingen, den momentanen Rückenwind und den vielbeschriebenen pandemiebedingten  Digitalisierungsschub im schulischen Bildungsbereich zu nutzen?
  • Wie gelingt es uns, (angehende) Lehrkräfte bestmöglich nach und für den Digital Turn aus- und fortzubilden?
  • Welchen Beitrag leisten Forschung, bildungspolitische Rahmungen und Förderprogramme wie die Qualitätsoffensive Lehrerbildung?

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    Nachhaltige Veränderungen stellen sich nicht aufgrund eines einmaligen pandemiebedingten Impulses ein.

    Prof. Dr. Birgit Eickelmann

In Zusammenhang mit der letzten Fragestellung stellte sie das NRW-Verbundprojekt ComeIn vor, bei dem rund 380 Akteure aktiv eingebunden sind, darunter zwölf Hochschulen. Um wirksame Änderungen zu bewirken, sei es zielführend, Expertisen zu bündeln. Zur Umsetzung von Veränderungen an den Schulen sei die Schulleitung der Flaschenhals der Innovationen. Im Anschluss an diesen Einstiegsvortrag entwickelte sich eine lebhafte Diskussion mit dem Auditorium.

Die Präsentationsfolien können im rechten Bereich heruntergeladen werden.

Im weiteren Programmverlauf verteilten sich die Teilnehmenden auf fünf Austauschforen zu fächerübergreifenden Aspekten der Digitalisierung in der Lehrkräftebildung: zu den Grenzen und Chancen digitaler Werkzeuge, zu digitalen Ansätzen phasenübergreifender Lehrkräftebildung, zu Lernräumen in Post-Corona-Zeiten, zum Einsatz von OER in der Lehrkräftebildung und zu Künstlicher Intelligenz in Schule und Lehrkräftebildung. Nach einem Impulsvortrag tauschten sich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen in Gruppenräumen intensiv aus und schilderten ihre Erfahrungen innerhalb des jeweiligen Themenbereichs.

Zurück im Plenum kamen in einer Podiumsdiskussion unter dem Titel Studentische Perspektiven Lehramtsstudierende zu Wort. Sie berichteten aus ihren Erfahrungen mit dem Studium in Coronazeiten. So wurden insbesondere beim Studienstart während der Pandemie die sozialen Kontakte vermisst, ein Austausch und Kennenlernen sei nicht möglich gewesen. Es wurden die psychosozialen Auswirkungen der häuslichen Isolation angesprochen. Absolventinnen und Absolventen schilderten die Schwierigkeiten beim Übergang in das Referendariat und bedauerten die ausgefallenen Abschlussfeiern. Bei den Praxissemestern herrschte viel Unsicherheit, eine echte Praxiserfahrung konnte nicht vermittelt werden. Aber es wurden auch Vorteile des digitalen Lernformats bei denjenigen gesehen, die lange Anfahrtswege zu den Lehrstätten oder familiäre Verpflichtungen haben.

Perspektivisch wurden Hybridsemester vorgeschlagen sowie klare Kennzeichnungen der Lehrveranstaltungen in präsent und digital. Zur optimalen Planung des Studiums seien Räume in den Universitätsgebäuden wünschenswert, in denen die digitalen Formate besucht werden könnten.

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Echte Gruppenarbeiten sind im digitalen Setting schwer umzusetzen.

Jennifer Maureen Krahn, Lehramtsstudierende

Aus den pandemiebedingten Veränderungen wurden folgende Essenzen für die künftige Berufstätigkeit an Schulen mitgenommen:

  • Es gibt verschiedene Wege des Lernens und verschiedene Lerntypen
  • Eine höhere Affinität zur Technik muss entwickelt werden
  • Lernprozesse können selbst strukturiert werden
  • Der Schülerschaft sollte Geduld und Empahtie entgegengebracht werden
  • Individuelle Bedürfnisse von Schülerinnen und Schülern sollten gesehen werden

Beim anschließenden Virtuellen Posterwalk konnten 10 Themenräume mit insgesamt 96 Postern besucht werden.

10 farbige Kästchen mit den Beschriftungen der Themenräume
Über wonder.me konnten gezielt Poster ausgewählt werden und mit den Ausstellenden konnte in einen Dialog getreten werden. © GU Frankfurt

Die Posterausstellung war während der gesamten Veranstaltung zugänglich und bot insbesondere Nachwuchswissenschaftlern und -wissenschaftlerinnen die Möglichkeit, ihre Arbeiten zu präsentieren.

Zum Abschluss des ersten Tages wurden Stimmen zum Thema Warum Digitalisierung nicht reicht. Oder: 100 Gründe für die Präsenzuniversität vorgestellt, diskutiert und prämiiert. Dazu konnten die Teilnehmenden im Vorfeld Kommentare einreichen, die vorgelesen wurden. Aus den 17 Einreichungen erhielt dieser Kommentar den größten Zuspruch:

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Es geht meines Erachtens nicht um Digitalisierung vs. Präsenzuniversität, sondern darum, die Potenziale beider Settings zu erkennen, sinnvoll zu nutzen, zu kombinieren und dadurch in Zukunft eine Art des miteinander Lernens möglich zu machen, das wir uns heute vielleicht so noch gar nicht vorstellen können.

Dr. Caroline Bonnes, Universität Konstanz


Verlauf am Freitag, 25. Juni 2021

Prof. Dr. Jan Vahrenhold von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster eröffnete den zweiten Veranstaltungstag mit einer Keynote zum Thema "Lehren (lehren) nach dem digitalen Turn" mit dem an die Informatik angelehnten Untertitel  "110010 Shades of Grey". Dabei spiegelt der Binärcode für die Zahl 50 mit seiner Ziffer "1" positive Auswirkungen und mit der Ziffer "0" negative Auswirkungen wider.

(1) (Erfolgreicher) Sprung in das kalte Wasser
Nach ersten Anlaufschwierigkeiten wurde die digitale Lehre gut umgesetzt.

(1) Schub für die Infrastruktur
Der Schub für die Infrastruktur ist an den Hochschulen erfolgt.

(0) (Nicht-)Transferierbarkeit von Ergebnissen
An der Universität beträgt die Reichweite pro Lehrperson 2000 Lernende (bei vier Stunden pro Woche), an der Schule werden 810 Schüler und Schülerinnen erreicht (bei 27 Stunden pro Woche).

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Nur weil an der Uni etwas funktioniert, muss es nicht übertragbar sein auf irgendeinen schulischen Kontext.

Prof. Dr. Jan Vahrenhold

Lehrkräfte an Schulen haben neben ihren Unterrichtseinheiten vielfältige weitere Aufgaben, wie zum Beispiel Elternarbeit.

(0) (Nicht)Ausbildung von metakognitiven Kompetenzen
Um den eigenen Wissensprozess zu kontrollieren braucht es:

  1. Planungsstrategie
  2. die Fähigkeit den Prozess beobachten zu können
  3. eine Auswertung des Prozesses und ein Feedback

Während ein Feedback im digitalen Klassenraum meist entfällt, da die Schülerinnen und Schüler oftmals weder per Kamera noch per Mikrofon zugeschaltet sind, wurden bei den Hochschulen gute Erfahrungen mit den Chatfunktionen gemacht, die rege genutzt wurden.

(1) Wertschätzung von digitalen Kompetenzen
Digitale Kompetenzen erfahren erhöhte Wertschätzung. In der öffentlichen Wahrnehmung werden jedoch die digitalen Kompetenzen der Studierenden überschätzt.

(0) Spezifische und nicht-spezifische Transfers
Für jeden Zweck müsse das richtige Werkzeug gefunden werden. Bestimmte Aufgaben, zum Beispiel das Abfragen von Vokabeln oder Lösen elementarer Mathematikaufgaben, seien zwar gut maschinell unterstützbar, bei anderen Aufgaben, zum Beispiel dem kommentierenden Bewerten von Freitextaufgaben, stoßen aktuelle Programme noch an ihre Grenzen.

Nach einer lebhaften Diskussion folgten Symposien zur Digitalisierung in der Lehrkräftebildung zwischen Theorie und Praxis. Es standen acht Themengebiete zur Auswahl:

  1. Praxis digital gestalten in Sachsen: Vermittlung digitalisierungsbezogener Kompetenzen in der Lehrer*innenbildung
  2. Aktuelle Forschungen zum TPACK-Modell in der Lehrer*innenbildung
  3. Digitalisierungsprozesse in den Fachdidaktiken: Synthesen und Synergien im QLB-Projekt "Lehrerbildung@LMU“
  4. Innovative und videobasierte Lehr-Lernkonzepte in der Lehramtsausbildung
  5. Institutions- und Phasenvernetzung in Zeiten der digitalen Transformation
  6. Fachdidaktische Perspektiven auf den digital turn
  7. Weiterbildung von Lehrkräften und Dozierenden im Kontext der Digitalisierung
  8. Förderung sprachlicher Bildung durch digitale Technologien

Einzelbeiträge aus bundesweiten QLB-Projekten gaben jeweils den Impuls zu vertiefenden Diskussionen in den Arbeitsgruppen.

Nach der Mittagspause tauschten sich die Teilnehmenden in Zukunftswerkstätten zu projektübergreifenden und zukunftsweisenden Fragestellungen und möglichen Initiierung neuer Kooperationen/Projekte/Initiativen auf Basis des bisherigen Veranstaltungsverlaufs in vier parallelen virtuellen Räumen aus, basierend auf vorab eingereichten Themenwünschen der Teilnehmenden:

  1. Digitale Kompetenzen diagnostizieren, sichern und fördern
  2. Phasenübergreifende Vernetzung durch und für die Digitalisierung
  3. Neue digitale Methoden und Tools in der Lehrkräftebildung
  4. Inklusion und Digitalisierung

Am frühen Nachmittag verabschiedete der Gesamtmoderator, Dr. Johannes Appel, die Gäste und gab das abschließende Wort an Prof. Dr. Holger Horz.

Zum Ausklang konnte der informelle Austausch im Videokonferenztool Wonder.me genutzt werden.

Eine Programmübersicht sowie den Link zur Veranstaltungsseite der Universität Frankfurt finden Sie im rechten Bereich. Hier wird eine ausführliche Dokumentation der Tagung eingestellt.

Im Nachgang zur Veranstaltung wird in Herausgeberschaft des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) eine Fachbroschüre zum Thema aufgelegt, die auf den Ergebnissen dieses Workshops basiert.

Die Veranstaltung wurde von den in der "Qualitätsoffensive Lehrerbildung" geförderten Projekten The Next Level1 und Digi_Gap2 an der Goethe-Universität Frankfurt am Main ausgerichtet.