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Studienzufriedenheit und Berufswahlentscheidungen von Lehramtsstudierenden : Datum:

Der Studienzufriedenheit von Lehramtsstudierenden kommt insbesondere mit Blick auf ihre Bedeutung für erfolgreiche Studienverläufe eine besondere Rolle zu. Inwiefern sich die Zufriedenheit von Studierenden anderer Fächer unterscheidet und welche Rolle die starke Berufsausrichtung des Lehramtsstudiums dabei spielt, scheint bislang jedoch ungeklärt. Kris-Stephen Besa von der Universität Münster erforscht, wie erfolgreiche Studienverläufe im Lehramt ermöglicht werden können.

Eine Frau und ein Mann stehen vor einem Bücherregal. Sie zeigt ihm etwas in einem aufgeschlagenen Buch.
Die Zufriedenheit von Studierenden gilt als Prädiktor für erfolgreiche Studienverläufe. © BMBF/Alexandra Roth

Herr Dr. Besa, Sie forschen zum Thema Studienzufriedenheit – warum ist dieses Thema so relevant?

Besa: Die Beschäftigung mit Studienzufriedenheit kann aus verschiedenen Blickwinkeln erfolgen. Einerseits wird Studienzufriedenheit – ähnlich wie im Berufsleben die Arbeitszufriedenheit – als abhängige Variable genutzt, um zu schauen, wie sich spezifische Anforderungen oder individuelle Voraussetzungen der Personen auf die individuelle Zufriedenheit auswirken. Andererseits wird die Studienzufriedenheit als Prädiktor für erfolgreiche Studienverläufe mit betrachtet, insbesondere hinsichtlich ihrer Vorhersagekraft für einen möglichen Studienabbruch. In der Verknüpfung dieser beiden Perspektiven liegt dann der besondere Reiz der Forschung, wenn Einflüsse auf die Studienzufriedenheit identifiziert werden können, um so erfolgreiche Studienverläufe zu ermöglichen.

Unterscheiden sich Lehramtsstudierende von Studierenden anderer Fachrichtungen?

Besa: Die Frage ist so nicht ganz leicht zu beantworten. Das Lehramtsstudium selbst ist im Vergleich mit anderen Studiengängen erstaunlich gut erforscht. Daher lassen sich zahlreiche Untersuchungen finden, die Zusammenhänge mit und Auswirkungen von Studienzufriedenheit oder ähnlich gelagerten Konstrukten innerhalb des Lehramts in den Blick nehmen. Aber es gibt kaum systematische Vergleiche mit anderen Studiengängen auf Basis repräsentativer Stichproben zu dieser Frage. Einer der wenigen Datensätze, der hierzu umfassend genutzt werden könnte, liegt durch das Nationale Bildungspanel (NEPS) in der Studierendenstartkohorte vor – wobei die NEPS-Daten wiederum die Schwierigkeit mit sich bringen, teilweise zu globale Fragestellungen zu verfolgen.

In einer meiner eigenen Studien mit einer kleineren Gelegenheitsstichproben, die Lehramtsstudierende mit Studierenden anderer Studienfächer vergleicht, zeigen sich zwar Tendenzen, dass Lehramtsstudierende eine geringer ausgeprägte Studienzufriedenheit aufweisen, aber das muss mit Vorsicht interpretiert werden.

Woran liegt das?

Besa: Die Lehramtsstudierenden selbst sind eine sehr heterogene Gruppe. Sowohl die unterschiedlichen Fächer als auch die verschiedenen angestrebten Schulformen führen dazu, dass Personen mit sehr unterschiedlichen Interessen, Voraussetzungen und Ansprüchen an das Studium zusammenkommen können und – denken wir an die Studierenden im Berufsschullehramt – zum Teil auch noch mit vorgelagerten außerakademischen Ausbildungswegen und Erwerbsbiographien.

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Die Lehramtsstudierenden selbst sind eine sehr heterogene Gruppe. […] Dass sich hierdurch schnell Binnenunterschiede in der Zufriedenheit mit dem Studium ergeben, liegt nahe.

Dr. Kris-Stephen Besa

Gleiches gilt verständlicher Weise auch für die Studierenden anderer Fächer, für die ebenfalls zahlreiche divergierende Rahmenbedingungen vorliegen, die solche Vergleiche schwierig machen. Man denke dabei auch an unterschiedliche Benotungskulturen, Studiengangsgrößen und damit verbundenen Betreuungsstrukturen und zahlreichen weiteren fachlichen Eigenheiten, die möglicherweise auch unterschiedlich wirksam werden können.

Die berufliche Passung scheint ein Schlüssel zum Erfolg zu sein – wie können Lehramtsstudierende diese frühzeitig erkennen und auch hinsichtlich beruflicher Alternativen beraten werden?

Besa: Auch wenn ich mich persönlich ein wenig dagegen sträube, Lehramtsstudiengänge als akademisierte Berufsausbildung mit genau einer beinahe fatalistisch daran anschließenden Berufsoption durch den unvermeidlichen Gang in den Lehrberuf zu verstehen, so scheint diese Auffassung mindestens unter Studierenden weit verbreitet. Dieses schlägt sich in einer stark ausgeprägten Berufswahlsicherheit sowie vergleichsweise geringen Abbrecherquoten nieder. Dass eine Passung des Studiums sowie des angestrebten Berufs zu den eigenen Interessen förderlich ist, steht jedoch außer Frage. Hier finden sich deutliche Hinweise, dass bereits vor dem Studium erworbene pädagogische Vorerfahrungen, wie das Leiten von Jugendgruppen oder Praktika an Schulen, positive Effekte im Rahmen der Berufswahlentscheidung und auch mit Blick auf Zufriedenheit haben können.

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Die Berufswahlalternativen von Lehramtsstudierenden sind bislang [..] viel zu wenig in den Blick genommen worden – hier gibt es sicherlich Nachholbedarf seitens der Universitäten sowohl aus Forschungsperspektive als auch im Sinne der Studienberatung.

Dr. Kris-Stephen Besa

In meiner aktuellen Arbeit gemeinsam mit Martin Rothland zeigt sich, dass sich Unterschiede zwischen Personen finden lassen, deren Berufswahlalternativen eher im fachlichen Bereich liegen, verglichen mit denjenigen, deren Berufswahlalternativen vor allem aus pädagogischen Berufen bestehen. Die Personen, die sich einen Alternativberuf, der sich aus dem studierten Unterrichtsfach ergibt – beispielsweise Lehramtsstudierende mit dem Fach Englisch, die sich vorstellen können, auch als Übersetzerinnen oder Übersetzer zu arbeiten –, sind mit ihrem Studium zufriedener, als diejenigen, die in erster Linie in Lehr- und Sozialberufe – beispielsweise als Sozialpädagoginnen oder -pädagogen – streben. Dieses Ergebnis scheint auf den ersten Blick recht plausibel, bedenkt man den hohen Anteil unterrichtsfachlicher Studienelemente in den meisten Lehramtsstudiengängen, insbesondere im gymnasialen Lehramt.


Dr. Kris-Stephen Besa arbeitet als Akademischer Rat an der Westfälischen Wilhelms Universität Münster. Seine Forschungsschwerpunkte liegen insbesondere in der Lehrkräftebildungsforschung sowie der Evidenzorientierung im Bildungssystem.