Navigation und Service

-

Braucht das Lehramt Forschung? Potenziale und Herausforderungen einer akademischen Lehrkräftebildung : Datum:

Promovieren mit Lehramtsabschluss? Das ist nicht nur möglich, sondern dringend nötig. Die akademische Lehrkräftebildung ist auf aktive Forschungstätigkeiten angewiesen. Die Nachwuchsförderungsprogramme der "Qualitätsoffensive Lehrerbildung" haben wichtige Impulse geliefert, an die es nun anzuschließen gilt.

Zwei junge Frauen stehen an den Buchausgabe-Regalen einer Bibliothek und lesen.
Wissenschaftliche Forschung ist für eine akademische Lehrkräftebildung wichtig. © BMBF/Michael Kowalczyk

Von Frank Beier

„Ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich habe sowas noch nie gemacht.“ Eine mehr oder minder ratlose Lehramtsstudentin sitzt mir mit ihrer Forschungsskizze gegenüber und schaut mich erwartungsvoll an. Es hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass die im Rahmen der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ geförderte Graduiertenförderung des Zentrums für Lehrerbildung, Schul- und Berufsbildungsforschung der Technischen Universität Dresden auch für Lehramtsstudierende geöffnet ist. „Ich weiß“, sage ich, „ich höre das öfter.“ Wie kommt das? Und warum kommen sie zu mir?

Fehlende Forschung im Lehramt

Nicht selten werden die Studierenden von ihren Betreuenden geschickt: Sie sitzen häufig genug selbst mit den gleichen Fragen bei mir. Dies hat einen Grund: Forschungsmethoden haben keinen systematischen Platz in den Curricula der akademischen Lehrkräftebildung. Problematisch wird dies zumeist erst, wenn man plötzlich selbst empirisch forschen soll. Dies ist – mit Verlaub – tatsächlich eine Zumutung. Doch einen öffentlichen Aufschrei nach mehr Forschung in der Lehrkräftebildung ist in der Öffentlichkeit selten zu hören.

Welche Forschung?

Intern zeigt sich ein ambivalentes Bild: Während die Stärkung der empirischen Forschung in der Lehrkräftebildung aus Sicht der Lehrkräftebildner allerorts positiv willkommen geheißen wird, reagieren die Studierenden häufig ablehnend. Wie lässt sich diese Diskrepanz erklären? Vor allem da ja sowieso kaum Forschungsmethoden im Lehramtsstudium vermittelt werden? Möglicherweise liegt es genau daran! Das Lehramtsstudium ist seit Jahrzehnten „fragmentiert“ – so Ewald Terhart – oder wie die Bielefelder Kollegen um Martin Heinrich es nennen: „multiparadigmatisch“. Konkret bedeutet dies, dass Lehramtsstudierende mit unterschiedlichen Wissensregimen konfrontiert werden. Insbesondere wenn sie einem forschungsstarken „Fach“ begegnen, ist es dies, was Studierende in aller Regel vor Augen haben, wenn sie „Forschung“ hören. Im Gegensatz dazu scheint ein bildungswissenschaftliches und fachdidaktisches Verständnis von Forschung kaum im Bewusstsein zu sein. Lehrkräfte als Bildungsforschende? Kaum vorstellbar. Dabei wäre gerade dies für die Profession relevant, um die Verknüpfung aus praktischem und wissenschaftlich-reflexivem Berufshabitus zu ermöglichen. Dass dies möglich ist, zeigt beispielswiese die Design-Forschung in den Fachdidaktiken. Jedoch ist ein eigenständiges Modul in der Art - „Einführung in Design Research“ – wohl eine Rarität. Wenn, dann werden Forschungsmethoden quasi unter der Hand oder wenig erfolgreich nebenbei vermittelt.

Forschung und Lehramt – was braucht es?

Wie aber lässt sich empirische Forschung im Lehramt stärken, wenn der potenzielle wissenschaftliche Nachwuchs selbst nicht systematisch in Forschung eingeführt wird? Mittelfristig sind hier Strukturen gefragt, die diesen ‚Systemnachteil‘ von Lehramtsstudierenden im Wissenschaftsbetrieb ausgleichen. Um nicht falsch verstanden zu werden: Das Lehramtsstudium ist anspruchsvoll, komplex und bereitet auf die Vielfältigkeit eines herausfordernden Berufsfeldes vor. Es ist kein Studium zweiter Klasse. Im Gegenteil! Gerade deshalb ist es wünschenswert, dass Lehramtsstudierende auch von jenen ausgebildet werden, die selbst ein Lehramtsstudium absolviert haben. Dafür braucht es Graduierte des Lehramtsstudiums, die den Weg in die Wissenschaft wählen. Um diesen Weg zu ebnen, sind spezielle Unterstützungsangebote, wie sie unter anderem im Rahmen der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ breit gefördert wurden, dringend notwendig. Diese Graduiertenangebote bauen eine Brücke zwischen Lehramtsstudium und wissenschaftlicher Laufbahn. Diese braucht es dringend, auch um den Spezifika fachdidaktischer und bildungswissenschaftlicher Forschung gerecht zu werden. Allein eine Einführung in Statistik reicht dafür nicht aus.

Welche weiteren Impulse benötigt es?

Drei Punkte erscheinen mir für die Zukunft besonders berücksichtigenswert: Erstens, wir brauchen starke Zentren der Lehrerbildung, die als Trägerinnen der Graduiertenförderung und Forschungsberatung tätig werden, dabei Netzwerke (wie beispielsweise das Netzwerk Lehrerbildungs-Nachwuchskolleg (NeLe)) bilden und Expertisen austauschen. Zweitens, wir brauchen flexiblere Wege in die Wissenschaft. Trotz der Lehrkräftebildung aus einem Guss muss es auch Möglichkeiten der Spezialisierung geben. Warum eigentlich nicht ein Wahlbereich „Lehramt mit dem Schwerpunkt Bildungsforschung“? Virulent ist zudem die Frage, wie Referendariat und Promotion besser vereinbart werden können. Drittens, braucht es eine praxisnahe Forschung im Lehramt. Dies geht nicht ohne Kooperationsschulen, die ihre Türen auch für Forschungsarbeiten öffnen. Berufsrelevanz und Forschung schließen sich in solch einer Perspektive keineswegs aus. Im Gegenteil: Hier scheinen meines Erachtens Potenziale zu liegen, die die Qualität des Lehramtsstudiums deutlich erhöhen könnten.


Dr. Frank Beier ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Lehrerbildung, Schul- und Berufsbildungsforschung der Technischen Universität Dresden und leitet seit 2016 das Graduiertenforum Lehrerbildung.