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Quantitative und qualitative Profilierung des Lehramtsstudiums am Berufskolleg für gewerblich-technische Fachrichtungen – das Wuppertaler Projekt KoLBi-BK : Datum:

Wie können Marketing sowie Berufs- und Studienorientierung dazu beitragen, den Lehrkräftemangel an beruflichen Schulen zu reduzieren? Und wie können Maßnahmen zur qualitativen Profilierung des beruflichen Lehramtsstudiums dies unterstützen?
Diese zentralen Fragen der beruflichen Lehrerbildung werden im Wuppertaler Projekt „KoLBi-BK“ erforscht. Die erarbeiteten Lösungsansätze werden in die Praxis umgesetzt und allen Hochschulen bundesweit in einer digitalen Toolbox zur Verfügung gestellt.

Ein Mann sitzt vor einem Computerbildschirm und einer Tastatur in einer Kabine und hält in der rechten Hand eine Maus. An den Fingern der linken Hand befinden sich Sensoren, zudem trägt er eine Haube mit Sensoren auf dem Kopf.
Im verhaltenswissenschaftlichen Kommunikationslabor wird die Wirksamkeit der Marketingmaßnahmen getestet und optimiert © Lehrstuhl für Marketing, Bergische Universität Wuppertal

Von Sylvia Rahn, Carolin Frank und Tobias Langner

Lehrkräfte an beruflichen Schulen mit gewerblich-technischen Fachrichtungen werden dringend benötigt. Dies hat der kürzlich vorgestellte Nationale Bildungsbericht 2022 erneut bekräftigt.
In den vorliegenden Prognosen wird ein Bedarfsüberhang für das Lehramt an beruflichen Schulen von mindestens 1000 Lehrkräften jährlich konstatiert – teils erheblich mehr. Neben Lehrerinnen und Lehrern für die personenbezogenen Dienstleistungsberufe fehlen vor allem Lehrkräfte mit den beruflichen Fachrichtungen Elektro-, Maschinenbau-, Metall- und Fahrzeugtechnik.
Eine zentrale Herausforderung für alle Akteure in der Lehrkräftebildung besteht deshalb darin, bestmöglich zur Deckung des quantitativen Lehrkräftebedarfs an den beruflichen Schulen beizutragen.
Zudem muss die Bewältigung der quantitativen Herausforderungen der beruflichen Lehrerbildung durch qualitative Maßnahmen flankiert und gestützt werden. Es gilt zu gewährleisten, dass das Studienangebot der beruflichen Lehrkräftebildung nicht nur die Standards der Kultusministerkonferenz für die Lehrerbildung erfüllt, sondern auch den für die Lehrerbildung typischen Schnittstellenproblemen zwischen den Fächern, Fachdidaktiken und den Bildungswissenschaften Rechnung trägt. Nicht zuletzt gilt es den spezifischen Anforderungen des berufsbildenden Lehramts zu genügen.
Mit dem dritten Wuppertaler QLB-Projekt „Kohärenz in der Lehrerbildung – Quantitative und Qualitative Profilierung des gewerblich-technischen Lehramts an Berufskollegs (KoLBi-BK)“ – werden an der Bergischen Universität Wuppertal deshalb zum einen Strategien zur Studierendengewinnung konzipiert und umgesetzt und zum anderen in mehreren Teilprojekten die qualitative Profilierung des berufsbildenden Lehramts vorangetrieben.
Welche Herausforderungen ergeben sich daraus nun im Einzelnen für die Studierendengewinnung und welche Lösungen werden in KoLBi-BK entwickelt?

1. Berufs- und Studiengangmarketing

Ausgangspunkt des Teilprojekts „Berufs- und Studiengangmarketing“ ist die Beantwortung der zentralen Frage, warum technikinteressierte junge Menschen den Beruf der Lehrkraft mit gewerblich-technischer Fachrichtung an beruflichen Schulen nicht ergreifen. Die Zielgruppenanalyse zeigt, dass viele junge Menschen diesen Beruf kaum kennen und ihn deshalb nicht in ihren Entscheidungen berücksichtigen. Und diejenigen, die den Beruf kennen, wissen oft nicht um seine Stärken. Genau hier setzt das Berufs- und Studiengangmarketing an, indem es die Bekanntheit des Berufs steigert und sein Image verbessert.
Um herauszufinden, wie ein erfolgreiches Marketing für das Lehramt in gewerblich-technischen Fächern gestaltet sein muss, wurden mehrere empirische Studien durchgeführt. In Expertinnen und Experten- und Zielgruppenbefragungen wurden die typischen Verläufe und Entscheidungsstile der Studien- und Berufswahl sowie deren Determinanten identifiziert. Im Rahmen einer Benchmarking-Analyse wurden außerdem besonders erfolgreiche Rekrutierungskampagnen von Unternehmen und Organisationen untersucht, um von diesen zu lernen.
Aufbauend auf den gewonnenen Analyseergebnissen wird aktuell eine Kampagnenstrategie sowie deren kreative Umsetzung erarbeitet. Die Wirksamkeit der Marketingmaßnahmen wird schließlich in einem apparativen Kommunikationslabor getestet und optimiert. Mit der so entwickelten Webseite als Leitmedium sowie den Social Media Maßnahmen, den Plakaten und Flyern sollen schließlich junge Zielgruppen gezielt dazu motiviert werden, das berufliche Lehramt mit einer technischen Ausrichtung zu ergreifen.

2. Berufs- und Studienorientierung

Am Ausgangspunkt der systematischen Begleitung einer lehramtsbezogenen Berufs- und Studienorientierung steht ebenfalls die Frage, was die Neigung zum Lehrberuf im Einzelnen erklären kann. Im Teilprojekt „Studienorientierung“ wird deshalb in mehreren standardisierten Befragungen untersucht, weshalb sich Schülerinnen und Schüler oder Absolventinnen und Absolventen von Bachelorstudiengängen (nicht) für den Lehrberuf interessieren. Mittels qualitativer Anforderungsanalysen werden zudem das Berufskonzept von Studierenden für das berufliche Lehramt rekonstruiert, etwaige Fehlvorstellungen ermittelt und die Anforderungen analysiert, die das Lehramtsstudium und die Lehrtätigkeit an beruflichen Schulen für Quer- und Seiteneinsteigende ebenso wie für grundständig Studierende mit sich bringen.
Interessanterweise ist die Quote der Schülerinnen und Schüler, die sich gut oder sogar sehr gut vorstellen können, Lehrkraft an einer beruflichen Schule zu werden, gar nicht so klein. Sie liegt in zwei Befragungen von insgesamt rund 700 Schülerinnen und Schülern beruflicher Schulen jeweils bei über 30 %. Diesen „gewinnbaren“ Adressaten gilt es, das Lehramt an einer beruflichen Schule als interessante Berufsoption bewusst zu machen. Durch die Anregung beruflicher Explorations- und Selbstreflexionsprozesse werden dann gut informierte und reflektierte Berufs- und Studienwahlentscheidungen ermöglicht. Befunde der Anforderungsanalysen zeigen, dass grundständige Lehramtsstudierende ebenso wie Seiteneinsteigende ein teils erheblich verkürztes Berufsbild vom Lehramt an beruflichen Schulen haben und von den Anforderungen im Studium wie auch von der schulischen Organisation der Lehrerarbeit gleichermaßen überrascht sind.

3. Adressatengerechte qualitative Profilierung des Studiums

Neben der Gewinnung geeigneter Studierender erfolgt in weiteren drei Teilprojekten die qualitative Weiterentwicklung des Studiums. Insbesondere bei der Planung lernfeldorientierten Unterrichts, kann beobachtet werden, dass Studierende diese komplexe Herausforderung des Transfers fachlicher, fachdidaktischer und bildungswissenschaftlicher Wissensgrundlagen in konkreten Unterricht oftmals überfordert. Ursache hierfür sind wahrscheinlich sowohl fehlende Positivbeispiele in der Schulpraxis als auch fehlende schulformspezifische fachdidaktische Angebote während des Studiums.
Thematische Klammer dieser drei Teilprojekte ist daher die Planung von lernfeldbezogenem Unterricht in den Fächern Deutsch, Mathematik, Englisch und den gewerblich-technischen Fachrichtungen sowie die spezifische Perspektive des Einsatzes virtueller Realitäten. Zudem wird zur Anleitung und Unterstützung des Planungsprozesses die Webanwendung „Allpaka“ programmiert. Innerhalb des digitalen Tools wurde der Planungsprozess in vier Teilmodule (übergeordnete Planung, Einstiegsphase, Erarbeitungsphase, Sicherungsphase) unterteilt und auf Grundlage bildungswissenschaftlicher und fachdidaktischer Forschungsergebnisse konkrete Denk- und Handlungsaufforderungen operationalisiert. Mit Hilfe der App können Studierende aber auch Referendare oder Quereinsteiger ohne weiteren Personaleinsatz während der Unterrichtsplanung unterstützt werden, ihre didaktischen Entscheidungen sinnvoll zu treffen und multiperspektivisch zu reflektieren. Die konsequent digitale Umsetzung der Lern- und Unterstützungsangebote erlaubt es somit langfristig, trotz geringer Studierendenzahlen im Bereich des berufsbildenden Lehramts dieser Studierendengruppe auch in schulformgemischten Veranstaltungen spezifische Lernangebote bereitzustellen.

4. Die Toolbox zur Studierendengewinnung für das Lehramt an beruflichen Schulen

Das Wuppertaler Projekt KoLBi-BK ist produkt- und transferorientiert konzipiert. Alle entwickelten Maßnahmen und Konzepte werden in digitaler Form zur freien Verwendung vorliegen.
Die entwickelten Konzepte und Kommunikationsmittel zur Studierendengewinnung werden in einer digitalen Toolbox über eine Internetplattform bundesweit anderen Hochschulen zur Verfügung gestellt. Unter Rückgriff auf diese Vorlagen lassen sich mit überschaubarem Aufwand eigene Rekrutierungskampagnen realisieren und hochschulspezifisch ausgestalten. Die Skalierbarkeit des Rekrutierungsmarketings durch die digitale Toolbox bietet die Chance, dass die Projektergebnisse deutschlandweit Wirkung entfalten und der erhoffte Beitrag zur Bewältigung des Lehrkräftemangels tatsächlich eintritt.
Zur Unterstützung der Berufs- und Studienorientierung wird ein digitaler Kurzcheck entwickelt. Diesen können alle interessierten Hochschulen nutzen, um die Adressatinnen und Adressaten auf die Berufsoption Lehramt an Berufskollegs aufmerksam zu machen und sie für weiterführende Orientierungs- und Beratungsangebote anzusprechen. Durch ein spezifisch auf das Lehramt an beruflichen Schulen bezogenes Angebot zur Berufs- und Selbstreflexion wird der in der Anforderungsanalyse geäußerten Überlegung von Studierenden, dass Lehramtsstudium eben nicht Lehramtsstudium sei, Rechnung getragen und ein Beitrag geleistet, um die für das berufliche Lehramt bestehende Angebotslücke einer auch schulformbezogenen Berufs- und Studienorientierung zu schließen.



Prof. Dr. Carolin Frank ist Inhaberin des Lehrstuhls für Didaktik der Technik an der Fakultät für Maschinenbau und Sicherheitstechnik der Bergischen Universität Wuppertal.
Prof. Dr. Tobias Langner ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Marketing an der Schumpeter School of Business and Economics der Bergischen Universität Wuppertal.
Prof. Dr. Sylvia Rahn hat den Lehrstuhl für Berufsbildungsforschung des Instituts für Bildungsforschung in der School of Education der Bergischen Universität Wuppertal inne.