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Literaturvermittlung transnational – das Flensburger Teilprojekt „Internationalisierung der Lehrkräftebildung@home“ : Datum:

Interkulturelle (Literatur-)Erfahrung ohne Ortswechsel, die Erprobung transnationaler Lehr- und Lernszenarien und die Internationalisierung der literaturwissenschaftlichen Hochschullehre – das sind Ziele des Projekts „Internationalisierung der Lehrkräftebildung@home. Interkulturelle Literatur als Modul“. Zusammen mit Universitäten aus Brasilien, Frankreich, Rumänien und Russland wurden zwischen 2019 und 2023 transnationale Seminare hybrid und online erprobt und erfolgreich durchgeführt.

Drei Studentinnen und ein Student sitzen um einen Tisch herum und unterhalten sich. Auf dem Tisch befindet sich ein Laptop und verschiedene Papiere.
Interkulturelle Lehre zu ermöglichen, ist eine zentrale Aufgabe für die zukünftige Gestaltung der Hochschulbildung. © BMBF/Michael Kowalczyk

Von Jörn Bockmann, Margot Brink, Eliza-Cristina Comsa, Isabelle Leitloff und Iulia-Karin Patrut

Das Projekt „Internationalisierung der Lehrkräftebildung@home. Interkulturelle Literatur als Modul“ ist Teil des Verbundprojekts „OLAD_SH – Offenes Lehramt Digital in Schleswig-Holstein“, das noch vor der Coronapandemie im Jahr 2019 zwischen der Europa-Universität Flensburg und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel entstand. Das Teilprojekt „Internationalisierung der Lehrkräftebildung@home“ wird an der Europa-Universität Flensburg in Kooperation der Fächer Germanistik und Romanistik durchgeführt. Es zielt darauf ab, transnationale und interkulturelle Lehr- und Lehrszenarien im Bereich der interkulturellen Literaturwissenschaft zu erproben und im Ergebnis auf andere Fächer und Standorte international zu übertragen.

Im Mittelpunkt der transnationalen Seminare standen literarische Texte und intermediale Artefakte, die entweder ein interkulturelles Potenzial beinhalten oder interkulturell neu lesbar sind. Die Studierenden kamen in Kontakt mit unterschiedlichsten Texten, die weit über national geprägte Fächergrenzen hinausreichen. Dies führte zu einer interkulturellen Begegnung auf zwei Ebenen: einerseits theoretisch, durch die kritische und reflektierte Interpretation literarischer Texte mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen und andererseits praktisch, durch das Kennenlernen und den Austausch mit den Studierenden der Partneruniversitäten. Die Seminare wurden unter Zusammenarbeit mit folgenden Partneruniversitäten erprobt und umgesetzt: Universidade de São Paulo, Brasilien; Le Mans Université, Frankreich, Université de Strasbourg, Frankreich; Babes-Bolyai Universität, Cluj, Rumänien und Staatliche Universität Pensa, Russland.

Das Projekt verbindet auf diese Weise zentrale Aspekte einer zeitgemäßen Lehrkräftebildung, nämlich Digitalisierung, Praxisbezug und Internationalisierung. Die aktuellen Herausforderungen der Gegenwart – der Klimawandel, die instabile politische Lage und die Coronapandemie – verweisen auf die Notwendigkeit von Formaten wie dem der transnationalen Lehre, um unter anderem interkulturelle Erfahrungen und kritische Auseinandersetzungen mit verschiedenen Literaturen und Kulturen zu ermöglichen.

Die Durchführung transnationaler Seminare

Insgesamt fünf transnationale Seminare fanden an der Europa-Universität Flensburg in Kooperation mit den Partneruniversitäten statt. Als Beispiele seien genannt: „Europa und die Anderen“ (Jörn Bockmann, Iulia-Karin Patrut), „Doppeltblicken – zwischen Brasilien und Deutschland“ (Isabelle Leitloff), „Regards croisés – perspectives interculturelles sur les littératures francophones du 20e et 21e siècle“ (Margot Brink, Simona Jişa). Bei der Umsetzung wurden Elemente des Blended-Learning-Formats, also eine Kombination aus Präsenz- und Onlinelehre, sowie gemeinsame digitale Lernplattformen verwendet. Ein wichtiges Element stellten darüber hinaus die interkulturellen, studentischen Arbeitsgruppen dar, die außerhalb der gemeinsamen Seminarzeit Themen vertieften und Projekte bearbeiteten.

Die Lehrveranstaltungen wurden in Form eines Evaluationsfragebogens forschend begleitet. Vor Kursbeginn und zum Ende des Seminars mussten alle Studierenden einen Fragebogen ausfüllen, der vor allem auf ihre Erfahrungen und Vorstellungen von Interkulturalität abzielte. Das Projekt ist noch nicht abgeschlossen. Insofern liegen bislang noch keine Evaluationsergebnisse für das Gesamtprojekt vor. Rein quantitativ setzt sich die Teilnehmendengruppe wie folgt zusammen: von den 116 Personen, die die Seminare besucht haben, sind 88,4 Prozent weiblich und 11,6 Prozent männlich (divers: 0 Prozent). Die Mehrheit der Studierenden stammt mit 41,9 Prozent aus der Europa-Universität Flensburg. Die Babes-Bolyai-Universität Cluj, Rumänien, liegt auf dem zweiten Platz mit 22,5 Prozent gefolgt von der Staatlichen Universität Pensa mit 16,3 Prozent, der Université de Strasbourg mit 8,5 Prozent, der Le Mans Université mit 7,8 Prozent und der Universidade de São Paulo mit 3,1 Prozent.

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Ich bin sehr dankbar für die Möglichkeit, meine Vorurteile abzubauen, verschiedene Meinungen anzuhören und zu reflektieren.

anonyme Bewertung der transnationalen Lehre

Das trinationale Seminar „Migration, Kreativität und transnationale Avantgarde

Beispielhaft sei hier auf das letzte transnationale Seminar eingegangen, das im Herbstsemester 2022 stattfand. An diesem experimentellen Seminar waren erstmals drei Universitäten beteiligt: die Babes-Bolyai-Universität aus Rumänien, die Europa-Universität Flensburg und die Université de Strasbourg aus Frankreich. Das trinationale Seminar „Migration, Kreativität und transnationale Avantgarde“ hatte insgesamt 24 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die nicht nur an den oben genannten Universitäten studieren, sondern auch an unterschiedlichen Orten leben, denn die Université de Strasbourg bietet das Fach Germanistik auch im Fernstudium an. Das Seminarkonzept wurde von Jörn Bockmann und Margot Brink entwickelt und eingeleitet, darüber hinaus haben die Dozierenden der Partneruniversitäten (Emmanuel Béhague, Strasbourg; Bianca Bican, Cluj) bei der Durchführung der Unterrichtseinheiten entscheidend mitgewirkt. Die Lehrveranstaltungen, nach Themenblöcken gegliedert, wurden in sechs Sitzungen über die Online-Plattform Webex vermittelt. Der Grund für die Blockveranstaltungen waren die unterschiedlichen Semesterzeiten der Partneruniversitäten sowie die Zeitverschiebung in Rumänien.

Im Rahmen des Seminars wurden einleitend Aspekte der historischen Avantgarde und deren (möglicher) Bezug zur Kreativität infolge der Migration besprochen. Die darauffolgenden Sitzungen behandelten die Lyrik der klassischen Avantgarde, das zeitgenössische Theater und die diachronen Perspektiven der Avantgarde am Beispiel des frühneuzeitlichen Faustbuchs von 1587 und Goethes Faust II. Somit wurden literarische Texte unterschiedlicher Gattungen sowie historischer und kultureller Kontexte ausgewählt, die viele, auch kontroverse Gespräche auslösten. Auch wenn die Kommunikation dieses Seminars in deutscher Sprache stattfand, waren die inhaltlichen Gegenstände so vielsprachig und heterogen wie die Studierenden- und Dozierendengruppe selbst. Auf diese Weise gab es einen direkten Bezug zur Internationalität der (nicht nur historischen) Avantgarden.

Um den Austausch über das Seminar hinaus zu erweitern, wurden interkulturelle Gruppen gebildet, die sowohl während der Sitzungen als auch außerhalb zusammengearbeitet und sich insofern auch näher kennengelernt haben. Auch durch die heterogene Zusammensetzung der Seminarteilnehmenden wurde die Seminarerfahrung für alle Beteiligten als sehr bereichernd wahrgenommen. Eine dauerhafte Integration solcher transnationalen Lehrformate in die jeweiligen nationalen Curricula wäre nach Meinung aller Beteiligten wünschenswert.

Das Projekt im Rahmen universitärer Internationalisierungsstrategien

Ein wichtiges Ergebnis des Projektes ist, dass solche transnationalen, interkulturellen und digital gestützten Module einen wichtigen Beitrag zur Internationalisierung der Lehre an der Heimatuniversität leisten können, insbesondere auch für die Studierenden, für die, aus welchen Gründen auch immer, eine Mobilität in Präsenz nicht in Frage kommt. Im Bachelor und Master of Education, insbesondere in Fächern wie der Germanistik, ist die studentische Bereitschaft zur Mobilität ohnehin eher gering ausgeprägt. Hier lässt sich über transnationale und interkulturell fokussierte Lehre eine intensive interkulturelle Öffnung der Lehr-/Lerninhalte und -formate erreichen, die auch für die spätere Berufstätigkeit der Studierenden in kulturell heterogenen (Schul-)Kontexten so wichtig ist.

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Ein wichtiges Ergebnis des Projektes ist, dass solche transnationalen, interkulturellen und digital gestützten Module einen wichtigen Beitrag zur Internationalisierung der Lehre an der Heimatuniversität leisten können, insbesondere auch für die Studierenden, für die, aus welchen Gründen auch immer, eine Mobilität in Präsenz nicht in Frage kommt.

Fazit der Projektbeteiligten der Europa-Universität Flensburg

Langfristiges Ziel des Projektes ist es insofern, transnationale, digital gestützte Lehrformate in den jeweiligen Curricula der Universitäten zu verankern und damit für deren Nachhaltigkeit zu sorgen. Die Einbettung in eine umfassende Internationalisierungsstrategie, wie sie an der Europa-Universität Flensburg besteht, bietet eine wichtige und notwendige Struktur, um dieses Ziel zu erreichen. Vielfältige Programme und Projekte, von denen das in diesem Bericht vorgestellte nur ein Baustein ist, zielen darauf ab, nicht nur die Forschung, sondern auch Studium und Lehre zu internationalisieren, indem flexible und inklusive Formen der Mobilität und des interkulturellen Austauschs etabliert werden. Die Schaffung von institutionellen Strukturen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene, die eine solche nachhaltige Integration von bi-/multinationaler und interkultureller Lehre in die jeweiligen Bildungssysteme ermöglichen, stellt eine zentrale Herausforderung und Aufgabe für die zukünftige Gestaltung der Hochschulbildung dar. Dies wäre ein wichtiger Beitrag zu einer Global Citizenship-Hochschulbildung, die angesichts der politischen Spannungen weltweit und innerhalb Europas heute wichtiger denn je ist.


Projektbeteiligte der Europa-Universität Flensburg:
Apl. Prof. Dr. Jörn Bockmann ist zuständiger Mitarbeiter am Seminar für Germanistik für den Bereich Mediävistische Germanistik
Prof. Dr. Margot Brink ist Lehrstuhlinhaberin für frankophone Literatur- und Kulturwissenschaften
Eliza Cristina Comsa ist Projektmitarbeiterin und Doktorandin
Dr. Isabelle Leitloff ist Geschäftsführerin des Hochschulrats und persönliche Referentin des Präsidenten der Europa-Universität Flensburg. Sie war zuletzt Koordinatorin des Projekts Internationalisierung der Lehrkräftebildung@home. Interkulturelle Literatur als Modul.
Prof. Dr. Iulia-Karin Patrut ist Lehrstuhlinhaberin für Neuere deutsche Literaturwissenschaft im europäischen Kontext