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Lehrkräftebildung interkulturell und international: Zwischen Zielen, Wunschvorstellungen und der Realität : Datum:

Warum sollte das Lehramt internationaler ausgerichtet werden? Warum absolvieren Lehramtsstudierende seltener einen Auslandsaufenthalt? Was kann getan werden? Diese Fragen beantwortet der Kommentar von Jelena Bloch und verdeutlicht am Beispiel des DAAD-Programms Lehramt.International, dass Internationalisierung mehr als die Förderung von studienbezogenen Mobilitäten bedeutet.

Eine junge Frau steht vor einer beschriebenen Tafel in einer Schulklasse. Mehrere Schülerinnen und Schüler heben die Hand.
Das DAAD-Programm Lehramt.International verdeutlicht, dass Internationalisierung mehr als die Förderung von studienbezogenen Mobilitäten bedeutet. © DAAD/Chris Noltekuhlmann

Von Jelena Bloch

Junge Menschen sollen während der Schulzeit auf den internationalen Arbeitsmarkt vorbereitet werden, das verantwortliche Handeln in globalen Kontexten erlernen, sich zu leistungsfähigen und weltoffenen Global Citizen entwickeln – das sind nur einige der Ansprüche, die wir als Gesellschaft an die Institution Schule stellen. Um dieses Ziel erreichen zu können, bedarf es Lehrkräfte, die selbst in der Lage sind, globale Entwicklungen und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft vor dem Hintergrund eigener internationaler Erfahrungen einzuordnen und authentisch zu vermitteln. Hierfür ist eine interkulturelle und internationale Ausrichtung der Lehrkräftebildung notwendig.

Realitätscheck mit Blick auf Schülerschaft und (angehende) Lehrkräfte

Im Schuljahr 2020/2021 hatten knapp 12 Prozent der Schülerinnen und Schüler an allgemeinbildenden Schulen keine deutsche Staatsangehörigkeit. Der Anteil von Schülerinnen und Schülern mit familiärer Migrationsgeschichte lag 2020 in der Grundschule bei über 33 Prozent. Diese Zahlen machen deutlich, dass die sprachliche und kulturelle Vielfalt mittlerweile in den Klassenzimmern sehr groß ist.

Vor diesem Hintergrund ist das Ergebnis der OECD-Lehrstudie TALIS 2018 erstaunlich und fordert zum Handeln auf: Nur knapp ein Drittel (32 Prozent) der internationalen Lehrkräfte gaben an, dass das Lehren in multikulturellen und mehrsprachigen Kontexten Teil ihrer Lehramtsausbildung war. Des Weiteren absolvieren Lehramtsstudierende laut der DAAD-Mobilitätsstudie „Benchmark internationale Hochschule (BintHo)“ im Vergleich zu anderen Studierendengruppen seltener (19 zu 22 Prozent) einen studienbezogenen Auslandsaufenthalt. Diese Differenz mag geringer ausfallen als erwartet, allerdings gibt es innerhalb der Lehramtsstudierendengruppe starke Mobilitätsunterschiede. Die Mobilitätsquote variiert je nach Studienfach (MINT-Fächer niedrigere und Fremdsprachenfächer höhere Quote) und angestrebter Schulform (berufliche Schulen niedrigere und Gymnasium höhere Quote).

Warum keinen Auslandsaufenthalt im Lehramtsstudium?

Die Gründe, warum sich angehende Lehramtsstudierende gegen einen studienbezogenen Auslandsaufenthalt entscheiden, sind vielfältig: Sie reichen von der Trennung vom sozialen Umfeld und zu hohen Kosten über Zeitverlust und zu hohem organisatorischen Aufwand bis hin zu fehlenden Verbesserungen der Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Wie die BintHo-Studie zeigt, wiegen diese Herausforderungen bei den Lehramtsstudierenden besonders: Das Argument „Zeitverlust im Studium“ hängt eng mit der Anerkennungsproblematik von Auslandssemestern und -praktika im Lehramt zusammen. Darüber hinaus führen Auslandserfahrungen bisher zu keinen beruflichen Vorteilen: Sie sind weder ein Kriterium bei der Vergabe des Referendariatsplatzes, noch ausschlaggebend bei der Stellenbesetzung.

Wie wird die Lehramtsinternationalisierung vorangetrieben?

Um die Lehrkräftebildung nachhaltig interkulturell und international zu gestalten, muss das Thema auf verschiedenen Ebenen angegangen werden, wie es im BMBF-finanzierten DAAD-Programm Lehramt.International bereits geschieht:

• durch Vollstipendien für angehende Lehrkräfte für Schulpraktika im Ausland auf individueller Ebene
• durch das Vorantreiben der strukturellen Internationalisierung der Lehramtsstudiengänge an deutschen Hochschulen im Rahmen von Kooperationen mit ausländischen Partnerhochschulen auf institutioneller Ebene und
• durch Dialogformate auf struktureller Ebene, mit dem Ziel, Verbesserungen der (hochschul-)politischen Rahmenbedingungen zur Lehramtsinternationalisierung zu initiieren.

Darüber hinaus sind die zielgruppenspezifische Information und Beratung zu studienbezogenen Auslandsaufenthalten sowie die Betreuung vor, während und nach dem Auslandsaufenthalt von besonderer Bedeutung, um zu motivieren und den Mehrwert der Auslandsaufenthalte zu steigern.

Die Internationalisierung@home konnte in den letzten Jahren ihr Potenzial entfalten: Gastdozenturen, Studienaufenthalte von ausländischen Lehramtsstudierenden in Deutschland oder auch digitale Projekte mit ausländischen Partnerhochschulen ermöglichen auch nicht-mobilen Lehramtsstudierenden das Sammeln von internationalen und interkulturellen Erfahrungen.

Generell sollte die Internationalsierung nicht als weiteres Add-on im Katalog der Anforderungen der Lehrkräftebildung gesehen werden. Aus der Perspektive von Lehramt.International erscheint sie vielmehr als ein Qualitätsmerkmal, durch das zukunftsrelevante Themen wie digitales Unterrichten, inklusives Lernen, Demokratiebildung im internationalen Kontext bearbeitet werden können.


Jelena Bloch ist Gesamtkoordinatorin des DAAD-Programms Lehramt.International und insbesondere für Analysen, Studien und Dialogformate zuständig.