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Eine Pandemie als Katalysator – so beeinflusst CoViD-19 die Technologieakzeptanz von Lehrkräften : Datum:

Wie sich bei Lehrkräften durch die Pandemie die Akzeptanz digitaler Werkzeuge verändert hat, untersuchen Olivia Wohlfart und Ingo Wagner im Projekt „Digitalisiertes Lernen in der MINT-Lehrer*innenbildung (digiMINT)“ des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT).

Frau mit Kopfhörer sitzt am Schreibtisch und schaut auf Monitor. Dort ist das KIT-Logo zu sehen.
Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) wird untersucht, wie sich die Akzeptanz digitaler Werkzeuge bei Lehrkräften durch die Pandemie verändert hat. © privat

Von Olivia Wohlfart und Ingo Wagner

Die CoViD-19-Pandemie hat in den letzten nun fast zwei Jahren das deutsche Bildungssystem beeinflusst und zu einer grundlegenden Anpassung an die neuartige Situation gedrängt. Insbesondere digitale Tools spiel(t)en eine herausragende Rolle in der Umsetzung dieser Anpassungen. Jedoch haben beim Thema Digitalisierung deutsche Schulen im internationalen Vergleich leider keine Vorreiterrolle inne. Die Schulschließungen zu Beginn der CoViD-19-Pandemie verdeutlichten diese Lage der Nation: nur ein Drittel aller Schulen verfügte über eine Online-Lernplattform, die die Weiterführung des Unterrichts effektiv möglich machte, und in drei von fünf Fällen fehlten die professionellen Ressourcen, um Lehrkräfte bei der Einarbeitung in digitale Werkzeuge zu unterstützen. Doch wie hat sich die Akzeptanz für Technologie und Digitalisierung unter Lehrkräften während der Pandemie entwickelt?

Ein uneinheitliches Bild

Nicht jede Schule und nicht jede Lehrkraft scheinen zögerlich gegenüber dem technologischen Fortschritt zu sein. Ganz im Gegenteil, an manchen Schulen wird die Digitalisierung stark mit Leben gefüllt, und viele Lehrkräfte sprudeln gerade so vor digitaler Energie. Insgesamt machen sich also große Unterschiede bemerkbar, was den Einsatz technischer Hilfsmittel angeht. Schaut man genauer hin, so können bestimmte Zusammenhänge zwischen externen Faktoren, der Motivation der Lehrkräfte und dem tatsächlichen Einsatz von digitalen Medien gefunden werden.

Ein weit verbreitetes Instrument für die Untersuchung dieser Zusammenhänge ist hierbei das Technologieakzeptanzmodell (TAM) von Davis, das er 1986 im Rahmen seiner Dissertation veröffentlichte. Basierend auf psychologischen Theorien, wie der Theorie des überlegten Handelns von Fishbein und der Theorie des planbaren Verhaltens von Ajzen, stuft Davis die Nutzung von technologischen Systemen als eine bewusste Handlung ein, welche bei der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen eher eintritt als sonst.

Die Motivation macht‘s – oder doch nicht?

Das TAM setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen, die aufeinander einwirken. Die ‚wahrgenommene Nützlichkeit‘ und die ‚wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit‘ sind Komponenten des Bereichs der ‚Anwendermotivation‘. Im Bildungskontext kann die wahrgenommene Nützlichkeit zum Beispiel mit der Frage „Kann ich meinen Unterricht mit dieser Technologie effektiver gestalten?“ beschrieben werden. Auch Aspekte wie die Unterrichtsvorbereitung oder die Unterstützung einzelner Unterrichtsphasen, wie der Ergebnissicherung, können hierbei eine Rolle spielen. Wird ein System als einfach zu bedienen und zu integrieren eingestuft, kann von einer hohen wahrgenommenen Benutzerfreundlichkeit ausgegangen werden. Diese beiden Komponenten wirken sich maßgeblich auf die ‚Haltung des Anwenders und der Anwenderin gegenüber einem System‘ aus. Während jedoch beide Komponenten als mentale Reflexionsprozesse eingeordnet werden können, resultiert die Haltung gegenüber Technologien aus einer emotionalen Reaktion. Schlussendlich ist es die Haltung, die auch über die ‚tatsächliche Nutzung des Systems‘ entscheidet. Die Beweggründe der Anwenderinnen und Anwender können jedoch so noch nicht ausreichend erklärt werden. Externe Faktoren wirken darüber hinaus auf die Technologieakzeptanz ein.

Studiendesign

Die im Längsschnitt angelegte Studie des Zentrums für Lehrerbildung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) befasst sich mit 15 Lehrkräften aus Baden-Württemberg, die unterschiedliche Unterrichtserfahrungen und Fächerkombinationen in der Sekundarstufe vorweisen. Mittels qualitativer Interviews wurden die Lehrkräfte erstmalig im Frühjahr 2020 zu ihren Erfahrungen mit digitalen Medien in der Phase der ersten pandemiebedingten Schulschließung und damit einhergehendem Distanzunterricht befragt. Wir präsentieren hier eine Zusammenfassung der Ergebnisse dieser ersten Befragungsrunde, welche als Open-Access-Beitrag in der Fachzeitschrift Education and Information Technologies veröffentlicht sind (siehe Box „Links zum Projekt“). Die zweite Befragungsrunde erfolgte im Frühjahr 2021, und eine dritte ist für das Frühjahr 2022 geplant.

Auswirkung externer Faktoren auf die Technologieakzeptanz

Als zentrale externe Faktoren konnten mithilfe der Studie insbesondere „Heterogenität von Schüler*innen und Lehrer*innen“, „Vorschriften und Spezifikationen“ und „technologische Infrastruktur“ identifiziert werden. Entgegen der vermutlich üblichen Annahme spielte beispielsweise Alter keine signifikante Rolle. Andere persönliche Faktoren, wie technische Kenntnisse und Familiensituation, beeinflussten die Technologieakzeptanz weitaus mehr. Durch den Wegfall mancher Vorschriften entstanden Freiräume für die Lehrkräfte, sich mit verschiedenen digitalen Werkzeugen auseinanderzusetzen. Während jedoch einige Lehrkräfte die flexiblere Zeitplanung positiv bewerteten, fehlten anderen Strukturen und klare Anforderungen. Als besonders hilfreich empfanden die meisten Befragten die Unterstützung seitens der Schulleitung, beispielsweise wenn Spezifikationen für den Umgang mit bestimmten Medien zur Verfügung gestellt wurden. Es ist wenig überraschend, dass große Unterschiede im Hinblick auf die technische Ausstattung an Schulen gefunden wurden. Einige Lehrkräfte mussten sich privat mit technischen Endgeräten ausstatten, um überhaupt von Zuhause aus arbeiten zu können. Dies erschwerte deutlich den Umstieg auf den digitalen Fernunterricht. Neben der technischen Ausstattung machte sich aber besonders bemerkbar, dass der (technische) Support von Familie und Kollegium entscheidend dafür war, ob und wie erfolgreich Unterricht durchgeführt werden konnte. Dabei standen oftmals einzelne engagierte Kolleginnen und Kollegen den anderen helfend zur Seite.

Ganz besondere Zeiten

Die Zeit der CoViD-19-Pandemie scheint bemerkenswerterweise die sonst üblichen Zusammenhänge der Technologieakzeptanz durchbrochen zu haben. Als externer Faktor wirkten sich die Schulschließungen nicht zuerst auf die Anwendermotivation im Sinne von andauernden mentalen Reflexionsprozessen und der daraus resultierenden Haltung gegenüber technischen Systemen aus, sondern nahmen unmittelbaren Einfluss auf den Einsatz digitaler Medien. Denn eine andere Möglichkeit als zu Handeln blieb den Lehrenden nicht. Erfreulicherweise bleibt auch Positives hängen: die Lehrkräfte gaben an, dass sie nun, wo der erste Schritt schon einmal gemacht ist, auch weiterhin digitale Werkzeuge für ihren Unterricht und ihre Vorbereitung nutzen wollen. Die Pandemie scheint als Katalysator fungiert zu haben. Erste Ergebnisse der Folgebefragung im Frühjahr 2021 bekräftigen diese Vorsätze und machen Mut, nach vorne zu schauen.

Olivia Wohlfart ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in dem Projekt „digiMINT“ am Zentrum für Lehrerbildung des Karlsruher Institut für Technologie; dort forscht sie im Themenkomplex Digitalkompetenzen, Digitalisierungsprozesse und Schulentwicklung.




Jun.-Prof. Dr. Ingo Wagner ist Co-Principal Investigator der Projekte „digiMINT“ und „digiLAB“ am Karlsruher Institut für Technologie; dort leitet er zudem den Arbeitsbereich „Interdisziplinäre Didaktik“ am Zentrum für Lehrerbildung.