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Digitale Lerngemeinschaften verbinden Aus- und Fortbildung: Wie in Jena die Lernbegleitung im Praktikum als professionelle Lerngelegenheit dient : Datum:

Das Jenaer Projekt DiLe vernetzt Akteure der Universität mit Mentorinnen, Mentoren und Lehramtsstudierenden an den Praxissemesterschulen in Thüringen mit dem Ziel, Lehrpersonen für die professionelle Begleitung von Studierenden fortzubilden. Hierzu werden digital gestützte Fortbildungsmodule für die Mentorinnen und Mentoren entwickelt, erprobt und evaluiert. Das Leitungsteam der Fortbildungsmodule beleuchtet im Interview bisherige Erfahrungen und weitere Perspektiven im Projekt.

Zwei Frauen und ein Mann sitzen gemeinsam am Tisch und schauen auf einen Laptop. Eine Frau zeigt mit dem Finger auf das Display.
Digitale Lernformate unterstützen die Vernetzung der Akteure in der Lehrkräftebildung. © BMBF/Alexandra Roth

Im März 2020 ist das Projekt DiLe "Digitale Lerngemeinschaften zur kohärenten Lernbegleitung im Jenaer Modell der Lehrerbildung" im Rahmen der "Qualitätsoffensive Lehrerbildung" an der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) gestartet. Unterstützt von digitalen Lernformaten vernetzen sich Akteure der Universität Jena (in den Bildungswissenschaften und Fachdidaktiken) mit den Lehramtsstudierenden und Lehrpersonen an den Praxissemesterschulen in Thüringen mit dem Ziel, Praktikumslehrpersonen für die professionelle Lernbegleitung von Studierenden fortzubilden.

Im Projekt wurden drei Fortbildungsmodule entwickelt, die zentrale professionsrelevante Anforderungen der schulischen Lernbegleitung im Jenaer Modell der Lehrerbildung adressieren:

  • Im Modul A (Rolle – Kommunikation – Transfer/Schulkultur) werden Mentorinnen und Mentoren mit digitalen Angeboten bei der Reflexion ihrer Rolle unterstützt sowie zum Thema Planung und Gestaltung lernwirksamer Unterrichtskommunikation fortgebildet.
  • Im Modul B (Heterogenität/Inklusion) lernen Mentorinnen und Mentoren die Ziele und Inhalte der pädagogisch-psychologischen Begleitveranstaltungen an der Universität kennen. Anhand eines gamebasierten Fallbeispiels können sie ihr Wissen über Heterogenitätsdimensionen und den Umgang damit vertiefen.
  • Modul C (Fach) spricht Mentorinnen und Mentoren als Fachlehrkräfte an. Seitens der Universität sind die Fachdidaktiken Deutsch, Chemie und Sozialkunde beteiligt. Die Lernbausteine ermöglichen den Ausbau und Erwerb aktueller fachdidaktischer Kenntnisse sowie die dialogorientierte Entwicklung fachdidaktischer Problemlösungen.


Das Leitungsteam der Fortbildungsmodule Prof. Dr. Alexander Gröschner, Prof. Dr. Bärbel Kracke und Prof. Dr. Iris Winkler beleuchtet im Interview mit dem Koordinationsteam Astrid van der Wall und Sebastian Meißner bisherige Erfahrungen und weitere Perspektiven im Projekt.
 

Was ist das Besondere am Projekt "DiLe"?

Gröschner: Das Projekt setzt an einem zentralen, für das Lernen der Lehramtsstudierenden relevanten Aspekt an: der schulischen Lernbegleitung während des Praktikums. Sie sollten daher auch für alle lehrkräftebildenden Institutionen wichtige Gesprächspartner sein. Unter dem Motto der "Kohärenz" laden wir im Projekt thüringenweit Lehrpersonen ein, bildungswissenschaftliche und fachdidaktische Inhalte kennenzulernen und auszuprobieren, die wir auch in der Lehrkräftebildung thematisieren. Wir nutzen dazu unterschiedliche digital gestützte Lernformate, sodass zusätzlich digitale Methodenwerkzeuge ins Repertoire der Lehrpersonen einfließen können. Wir orientieren uns am Prinzip der 'professionellen Lerngemeinschaften', die zu 'digitalen Lerngemeinschaften' werden, um die individuell kennengelernten Inhalte in Videokonferenzen als Feedbackgespräche kollegial zu reflektieren und auch den Transfer in den beruflichen Alltag der Mentorinnen und Mentoren zu thematisieren.

Welche Bedeutung haben die gewählten Schwerpunkte in der Qualifizierung von Mentorinnen und Mentoren?

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Die Forschung zeigt, dass insbesondere Mentorinnen und Mentoren an den Schulen wichtige Partner für die berufliche Sozialisation angehender Lehrpersonen darstellen

Prof. Dr. Alexander Gröschner

Gröschner: Verkürzt kann man sagen, dass das Rollenverständnis von Mentorinnen und Mentoren auch ihre Art und Weise der Lernbegleitung von Studierenden (und Lehramtsanwärterinnen und -anwärtern) prägt und beeinflusst. In unserem Modul lernen Lehrpersonen daher zunächst anhand eines Selbsttests und Lernvideos, ihre Rolle zu überprüfen und entsprechend Handlungsweisen adaptiv in der Beratung von Studierenden im Rahmen von Unterrichtsbesprechungen zu erproben. Darüber hinaus steht als zweites Lernfeld die Praxis der Unterrichtskommunikation im Mittelpunkt. Hierzu lernen Lehrpersonen an Videobeispielen neue lernwirksame Strategien kennen, können diese in ihrem eigenen Unterricht und gemeinsam mit den Studierenden im Praktikum in deren Unterrichtsversuchen erproben sowie mit Unterstützung eines Feedbacks  von Schülerinnen und Schülern reflektieren.

Kracke: Die Lehramtsstudierenden an der Universität Jena lernen im Praxissemester nur eine Schule näher kennen. Nicht jede Schule bietet aber die Gelegenheit, die Herausforderungen einer in vielerlei Hinsicht heterogenen Schülerschaft für das Lehrerhandeln zu erfahren und damit konstruktiv umzugehen. Dementsprechend sehen Mentorinnen und Mentoren oft nicht den Anlass, Heterogenität oder sogar Inklusion zu thematisieren. Damit Lehrpersonen systematisch mit den Praxissemesterstudierenden den Umgang mit kognitiver, sozialer und kultureller Vielfalt reflektieren können, erhalten sie die Gelegenheit, sich selbst im Thema weiterzubilden und Anregungen, wie sie mit den Praxissemesterstudierenden über den Umgang mit Vielfalt ins Gespräch kommen können.

Winkler: Lehrpersonen für die Sekundarstufen nehmen sich stark als Fachlehrkräfte wahr. Im Fachunterricht sind sie mit wiederkehrenden fachspezifischen Anforderungen konfrontiert. Das ist der Punkt, den wir im Modul Fachdidaktiken aufgreifen. Wir bieten den Mentorinnen und Mentoren Fortbildungselemente an, die von typischen fachlichen Fragen ausgehen. Es war uns außerdem wichtig, den Aspekt der Digitalisierung nicht nur über die Medialität der Tools zu berücksichtigen. Digitalisierung verändert ja auch unsere Fachinhalte. Fachübergreifend haben wir deshalb zum Beispiel für Deutsch und Sozialkunde eine Bausteinreihe zum Thema "Fake News" entwickelt.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit und Vernetzung von Lehrenden an der Friedrich-Schiller-Universität sowie Studierenden, Mentorinnen und Mentoren im Projekt und darüber hinaus?

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Durch das Projekt werden die Mentorinnen und Mentoren an den Schulen direkt eingeladen, sich mit den universitären Inhalten vertraut zu machen und den Lehrenden an der Universität Rückmeldung darüber zu geben, welche Ergänzungen und/oder Modifikationen notwendig sind.

Prof. Dr. Bärbel Kracke

Kracke: Bislang war der Austausch zwischen Universität und Praxissemesterschulen auf einen Netzwerktag im Jahr, zu dem die Mentorinnen und Mentoren von Praxissemesterschulen eingeladen waren, beschränkt. Da ihre Teilnahme nicht obligatorisch war, gab es keinen systematischen inhaltlichen Austausch. Die Lehrpersonen haben indirekt über die Studierenden erfahren, was begleitend an der Universität angeboten wird. Das hat häufig dazu geführt, dass die Inhalte aus Universität und Schule wenig aufeinander abgestimmt waren.
Sie sollen mit ihren Praxissemesterstudierenden gemeinsam Aufgaben bearbeiten und so systematisch zu unterschiedlichen Themen ins Gespräch kommen. Die Basis für die Zusammenarbeit bildet eine digitale Lernplattform, deren Inhalte jederzeit abgerufen und bearbeitet werden können, und die Austauschforen für die Lernenden und Lehrenden beider Institutionen bietet.

DiLe ist im März 2020 gestartet, die Pilotphase ist vorüber. Was nehmen Sie mit?

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Immer wieder ist mir deutlich geworden, wie wichtig die Einbeziehung von praktizierenden Lehrpersonen ist, wenn wir seitens der Universität ein Fortbildungsangebot bereitstellen wollen, das die Bedürfnisse der Schule gezielt erreicht.

Prof. Dr. Iris Winkler

Winkler: Mich hat beeindruckt, mit welch hohem Engagement die Lehrpersonen in der Pilotierungsphase sich an der Entwicklung der digitalen Lernbausteine beteiligt haben – und dass, obwohl sie durch die Pandemie massiv zusätzlich gefordert waren. Was ich aber auch mitnehme: Die Kooperation von Schule und Universität ist organisatorisch und zeitlich aufwändig. Gerade die Lehrpersonen bräuchten zeitliche Freiräume, um sich auf solche Fortbildungsangebote unbelastet einlassen zu können.

Wie geht es jetzt in der Hauptphase von DiLe weiter?

Gröschner: Zunächst bin ich gespannt darauf, wie es uns gelingt, den strukturierten Austausch zwischen Mentorinnen, Mentoren und Praxissemesterstudierenden anzuregen. Dann haben wir natürlich eine wissenschaftliche Perspektive und werden unsere Innovationen wissenschaftlich fundiert evaluieren. Die drei Module gehen hierbei gemeinsame, aber auch teilweise unterschiedliche methodische und methodologische Wege, um den Lerngewinn für Lehrpersonen und Studierende zu untersuchen. Das wird eine spannende, gemeinsame Zeit der Forschung vor dem Hintergrund unserer verschiedenen Disziplinen. Außerdem werden wir die Möglichkeiten nutzen, um Querschnittsthemen zwischen unseren Modulen zu entwickeln und auszuprobieren. Wenn beispielsweise der Umgang mit Fake News zum Anlass wird, sich mit der Heterogenität der motivationalen, sozialen und kognitiven Voraussetzung der Lernenden in Deutsch oder Sozialkunde auseinander zu setzen.

 

Prof. Dr. Alexander Gröschner ist Inhaber des Lehrstuhls für Schulpädagogik und Unterrichtsforschung an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er ist Projektsprecher von DiLe und verantwortet das Teilmodul A.

Prof. Dr. Bärbel Kracke lehrt Pädagogische Psychologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Sie verantwortet das Teilmodul B.

Prof. Dr. Iris Winkler ist Inhaberin des Lehrstuhls für Fachdidaktik Deutsch an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Sie verantwortet das Teilmodul C in enger Abstimmung mit der Politikdidaktik und Chemiedidaktik.